Die Geschichte des Martin-Buber-Hauses

Das Haus an der Ecke Werlestraße/Graben in Heppenheim ist Ende des 19. Jahrhunderts für den Großherzoglichen Kreisarzt Dr. Scotti erbaut worden. Mitten im Ersten Weltkrieg zog 1916 der 38jährige jüdische Religionsphilosoph Martin Buber zusammen mit seiner Frau Paula, geb. Winkler, und seinen beiden Kindern, Rafael (geb. 1900) und Eva (geb. 1901), zunächst als Mieter in das Haus, das er vier Jahre später erwarb. Die zuvor in einer Mietwohnung in Berlin-Zehlendorf ansässige Familie suchte an der Bergstraße nicht nur mehr Ruhe für Arbeit und Familienleben, sondern Martin Buber liebte seit einem Kuraufenthalt im Odenwald auch die Landschaft an der Bergstraße mit ihrem angenehmen Klima. Im Erdgeschoss befanden sich, mit Blick auf den Graben der Salon und die Arbeitszimmer von Paula und Martin Buber, sowie Küche, Esszimmer und Teezimmer. Im Obergeschoss lagen das Schlafzimmer, die Zimmer der Kinder (bzw. später der Enkelinnen Barbara und Anna Judith, den Töchtern Rafael Bubers) und des Hausmädchens sowie die Bücherkammer, in der ein Teil der umfangreichen Bibliothek Bubers untergebracht war. In diesen Räumlichkeiten entstanden bedeutende Werke Martin Bubers, wie z.B. "Ich und Du" und der erste Teil der Bibelübersetzung. Der große Garten, der zu dem Anwesen gehörte, wurde von einer hohen Mauer umgeben.

Von Heppenheim aus fuhr Buber ab 1922 regelmäßig nach Frankfurt am Main als Lehrer am Freien Jüdischen Lehrhaus, von 1924 bis 1930 zur Erteilung des Lehrauftrages im Fach Jüdische Religionswissenschaft und Ethik und von 1930 bis 1938 als Honorarprofessor für Religionswissenschaft an der Universität Frankfurt am Main. Im Frühjahr 1938 war die Familie Buber aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung gezwungen, nach Palästina auszuwandern. Zurückgelassene Möbel und Teile der Bibliothek, um auch später ein Arbeiten in Heppenheim zu ermöglichen, wurden am 9. November 1938 in der Reichspogromnacht zerstört. Weil Buber die Rechnung für den Vandalismus nicht bezahlen konnte, wurde das Haus schließlich gepfändet.

 

Seit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde das Haus von einer Behörde genutzt und ging 1941 in den Besitz des Kreises Bergstrasse über. In den siebziger Jahren sollte es abgerissen werden, um für einen Neubau des Landratsamtes Platz zu schaffen. Auf Intervention zweier engagierter Heppenheimer BürgerInnen konnte die Bedeutung des Hauses für die deutsche und jüdische Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts deutlich gemacht und vor dem Abriss gerettet werden. Mit der Maßgabe, das Haus einem Zweck zu zuführen, der Martin Bubers philosophisches Erbe verwaltet und verbreitet, wurde es 1976 von der Hessischen Landesregierung unter Denkmalschutz gestellt. Der Internationale Rat der Christen und Juden, der bis dahin seinen Hauptsitz von London hatte, beschloss darauf hin, diesen ins Martin-Buber-Haus nach Heppenheim zu verlegen. So wurde das Haus 1979 seiner neuen Nutzung übergeben. Der Kreis Bergstrasse trägt seitdem die Kosten der Instandhaltung.

Als Sitz des Internationalen Rates der Christen und Juden mit mittlerweile 38 angeschlossenen Mitgliedsorganisationen in 32 Ländern der Welt ist das Martin-Buber-Haus auch eine Arbeits- und Begegnungsstätte für WissenschaftlerInnen, StudentInnen und allen am interreligiösen Dialog Interessierten. Von hier gehen regional und international wichtige Impulse für ein gegenseitiges Verständnis der Religionen und gegen rassistische Vorurteile aus. Es werden internationale Konferenzen organisiert, weltweite Netzwerke für Völkerverständigung geknüpft, regionale Vortragsreihen und Seminare veranstaltet sowie eine aktuelle themenbezogene Ausleihbibliothek und Dokumentation aufgebaut.